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Törchen 20 - MARAT / SADE 2003
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Törchen 20 - MARAT / SADE 2003

Der Traum vom Leben Anton Tschechows «Drei Schwestern» ist ein sehr tiefgründiges, anspruchsvolles Stück, das von der Suche nach dem Sinn und Glück des Lebens handelt. In ihrer sechsten Produktion bringt es die Theaterwerkstatt des Freien Gymnasiums auf die Bühne. Moskau ist eine boomende Stadt. Bauten aus Stahl und Glas wachsen in den Himmel, überbieten sich in Grösse, Mächtigkeit und Protz. Moskau ist eine Stadt der vielen Möglichkeiten – eine Stadt der Sehnsucht. Denn im Russland jenseits der Metropolen riecht es nur allzu rasch nach tiefster Provinz: heute ebenso wie vor hundert Jahren. Moskau – das ist die Metapher für einen Traum vom Leben, der nur in der Ferne erfüllt zu werden verspricht. Fluchtpunkt Moskau Moskau ist der Fluchtpunkt Olgas, Maschas und Irinas in Anton Tschechows 1901 uraufgeführtem Stück «Drei Schwestern». Vor Jahren sind sie mit ihrem inzwischen verstorbenen Vater, einem hohen Offizier, und ihrem Bruder Andrej in eine abgelegene Garnisonsstadt gezogen. Die Erinnerung an die Grossstadt und der Traum vom wahren Leben, das sie nur dort zu finden glauben, ist ihr einziges (vermeintliches) Glück, und vor der Folie der Provinzgesellschaft, die sie umgibt: allesamt letztlich gescheiterte Gestalten, vermengen sich Langeweile und Lamento über das verpasste Leben zu einer unfrohen Gegenwart. Die Erinnerung an die Vergangenheit wird von der Gegenwart verdrängt, mit der sich jedoch niemand ernstlich beschäftigen will. Sie wird nur als Ort der Dissonanz wahrgenommen und als Ausgangspunkt für allerlei Projektionen, die fern sind jeglicher Realität. Weder ist Andrej der Gelehrte, als den ihn die Schwestern sehen, noch kann er ihn sein; weder ist Moskau das Glück schlechthin, noch lässt sich ein Leben ohne inneren Aufbruch ändern. Die einzige, die dies ansatzweise zu erkennen scheint, ist Irina. Mehr als alle andern sehnt sie sich nach Moskau als dem Sinnbild für ein glückliches Leben. Aber sie nimmt leise Abschied vom Traum der Liebe und des Glanzes. Sie will tatsächlich aufbrechen, innerlich und äusserlich. Der Baum jedoch, den sie, mädchenhaft singend, in Erwartung des Neuen anbetet, ist verdorrt. Das Glück, das sie sich erzwungen hat, ist trügerisch, und es wird zuletzt wie jeder Traum zerbrechen. Wider die Illusionen Tschechow hat den Illusionen nie viel Raum gelassen. Unfroh ist das Leben, wenn auch nicht zum Verzweifeln. Der Augenblick des Glücks lässt sich nur aus dem eigenen Innern heraus erzeugen, nicht durch die Projektion auf einen – räumlichen, zeitlichen – Fluchtpunkt. Dies ist auch die Botschaft dieser Inszenierung (Regie und Gesamtleitung: Alfred Bosshardt, Dramaturgie: Beatrice Rolli Zinsstag), die ihre Antworten aus Tschechows Auseinandersetzung mit den Schriften des römischen Kaisers Marc Aurel zur Frage der Lebensgestaltung nimmt. Denn mitten in die spiessig-gelangweilte Gesellschaft dringt eine tanzende, zaubernde und aufreizende Mädchengruppe ein und zeigt das Potenzial, das die Provinz zu mobilisieren imstande ist. Nicht die drei Schwestern, sondern die drei Girlies verabschieden sich zuletzt – nach Moskau: ein dramaturgischer Eingriff, der dem aktionslosen Lamento die Tatkraft entgegensetzt. So vermag die Inszenierung bei allem Klamauk, bei aller Komik und Körperlichkeit, die freigelegt und lustvoll ausgelebt werden, die Nachdenklichkeit und ungebrochene Gültigkeit dieser Lebenssinnsuche sichtbar zu machen. Dies, die beeindruckende Leistung der Schülerinnen und Schüler und nicht zuletzt die musikalischen Intermezzi und die russischen Weisen machen die Aufführung zu einem Erlebnis. von Markus Ackeret
Törchen 19 - WAS IHR WOLLT 2009
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Törchen 19 - WAS IHR WOLLT 2009

Es beginnt mit einem Schiffbruch. Ein Häuflein Überlebender strandet an der Küste Illyriens. Der größte Teil der Schiffsbesatzung ist verschollen, die Zwillingsgeschwister Viola und Sebastian auseinander gerissen. Traumatisiert durch die Ereignisse beschließt Viola, den Spieß umzudrehen und fortan selbst Schein vor Sein zu stellen: Als Mann verkleidet tritt sie in die Dienste des Herzogs Orsino. Die Verwechslungskomödie nimmt ihren Lauf: Orsino, verliebt in die Gräfin Olivia, schickt Viola (alias Cesario) als Liebesboten zur Gräfin, sehr zur Pein Violas, da diese sich selbst in den Herzog verliebt hat. Damit nicht genug, verfällt Olivia ihrerseits nun Cesario (alias Viola). Außerdem wird Olivia heiß begehrt von Ritter Sir Andrew. Unterstützung für sein Werben erhält er von Olivias Onkel Tobias, der mit dem Geld der Nichte seine Saufgelage zu finanzieren gedenkt. Fehlt bloß noch Malvolio, Olivias Verwalter, der die ebenso feste wie irrtümliche Überzeugung hegt, dass Olivia insgeheim ihm haltlos verfallen sei. Eine ausweglose Konstellation entsteht. Erst das Erscheinen von Violas Zwillingsbruder Sebastian vermag das unauflösbare Beziehungsgeflecht zu entwirren: Ironie des Schicksals, dass das Objekt der Begierde zu guter Letzt tatsächlich in beiderlei Geschlechtern existiert. Wie habt ihr denn euch von euch selbst getrennt? Diese ernüchternde Frage bezeichnet den Augenblick der Erkenntnis: Der Doppelgänger wird als Zwilling enttarnt und das furiose Vexierspiel von Schein und Sein findet ein abruptes Ende. Zum Stück Der Originaltitel „Twelfth Night“ ist eine Anspielung auf die Epiphaniasnacht als Abschluss der zwölf Rauhnächte. Zu Shakespeares Zeiten wurde dieser Beginn der Karnevalszeit bereits mit Maskenspielen gefeiert, in denen die Menschen durch Verkleidung vorübergehend ihre Identität wechseln. Diese brillante Verwechslungskomödie – wir spielen sie in der neuen Fassung von Angela Schanelec – ist nicht zufällig noch heute eines der meistgespielten Stücke der klassischen Theaterliteratur. Sie bezieht ihre Qualität aus mindestens drei Quellen: Versetzen Sie sich in die Zeiten Shakespeares, wo Frauenrollen ausnahmslos von Männern gespielt werden durften. Natürlich handelt das Stück nun von einer Frau, die einen Mann spielt, so dass letztlich ein Mann eine Frau spielt, die einen Mann spielt. Die Komik ist unvermeidbar. Die Tatsache, dass Schauspielerinnen auf den Bühnen unserer Tage „zugelassen“ sind, bedeutet aber keinesfalls, dass wir bei dieser Vorlage auf prallen und zuweilen derben Witz verzichten müssen. Im Gegenteil: Während Shakespeare geschickt das Publikum bezüglich der Entwicklung der Handlung und der beteiligten Charaktere mehr wissen lässt, als die Figuren selber wissen, verkennen letztere – wieder nicht ohne komische Folgen – oftmals die Identität ihrer Gegenüber. Darüber hinaus verstrickt der Autor seine Figuren unablässig in schlagfertige Wortgefechte. Exemplarisch sei verwiesen auf Akt 1, Szene 5, in welcher der Hofnarr seine Herrin Olivia für verrückt erklärt, da diese um ihren Bruder trauert, gleichzeitig aber überzeugt ist, dass dessen Seele nun im Himmel sei. Des Hofnarren Äußerung „Take away the fool“ (etwa: „Bringt die Närrische fort“) ist gleich darauf schon wieder eine bewusste Vertauschung von Rollen. Eine gute Komödie zeichnet sich aber auch dadurch aus, dass sie tragische Elemente enthält. Da wäre zum einen Gräfin Olivias Verwalter, Malvolio, eine der wenigen Hauptfiguren Shakespeares aus der Mittelschicht. Da er ehrgeizig ist, nach Höherem strebt und Ordnung und Disziplin wahren möchte, was in der damaligen Zeit bei einem Nicht-Adeligen geradezu verwerflich war, wird ihm von der Bediensteten Maria und Sir Toby so übel mitgespielt, dass er am Ende des Stücks ein gebrochener Mann ist. Dies kommt besonders in der Filmversion von Twelfth Night (1996) unter der Regie von Trevor Nunn zur Geltung. Aber auch die Figur des Hofnarren sowie die beiden dem Alkohol verfallenen Adligen Sir Toby Belch (etwa:„Rülps“) und Sir Andrew Aguecheek (etwa: „Bleichwange“) am Hofe Olivias sind im Grunde tragische, gesellschaftlich gestrauchelte Existenzen. Barnaby Reich
Törchen 18 - BLUTHOCHZEIT 2002
01:12:07

Törchen 18 - BLUTHOCHZEIT 2002

+nicht mehr vollständig vorhanden+ Vor Jahren war Leonardo Felix mit der damals fünfzehnjährigen Braut verlobt. Standesdünkel und seine Armut haben die Heirat verhindert. Leonardo führt nun mit einer anderen Frau eine freudlose Ehe, kann aber die Jugendliebe nicht vergessen. Auch das Mädchen muß mit einem anderen Burschen aus der Verwandtschaft Hochzeit halten, dessen Familie mit der Sippe der Felix in Blutrache lebt. Die Mutter des Bräutigams, die bereits den Mann und den ältesten Sohn durch die Familienfehde verlor, ist von schlimmen Ahnungen erfüllt. Am Hochzeitsmorgen gesteht Leonardo, der als Gast geladen ist, der Braut seine ungebrochene Liebe. Auch die Braut, lässt sich mitreißen von ihrer Leidenschaft. Während die Hochzeitsfeier stimmungshaft nach altem andalusischem Bauernbrauch abrollt mit Liedern und Tänzen, Trinksprüchen und Segenswünschen, hat Leonardo die Braut auf sein Pferd gerissen und in die Berge entführt. Der Bräutigam als Rächer seiner Ehre nimmt mit seinen Freunden die Verfolgung auf. Die kurze nächtliche Gemeinschaft der Liebenden auf der Flucht gestaltet Garcia Lorca als dunkles Naturmärchen. Der Mond und der Tod erscheinen als menschliche Gestalten. Diese Elementarwesen zeigen den Verfolgern den Weg und helfen mit, damit sich die Tragödie erfülle. Umsonst fleht die Braut, Leonardo möge sich durch Flucht retten. Er erwartet den Rivalen zum Zweikampf, den keiner von ihnen überlebt. Und wie meist bei Garcia Lorca stehen am Schluss die Frauen allein, versteinert vor Schmerz, und tragen ihre Liebe zu Grabe: die Mutter des Bräutigams, Leonardos Frau und die Braut erfüllen die alten Grabriten der Heimat und erkennen darin ihr Schicksal, dem sie unterworfen sind.Dieser Stoff aus Hochzeit und Entführung, Schuld und Leidenschaft, Blutrache und Bauernehre erinnert an Cavalleria Rusticana, an die Leidenschaftsdramen des Giovanni Verga und den italienischen Verismo. Aber Garcia Lorca überhöht den Stoff zur zeitlosen, urtümlichen Ballade. Die Figuren sind typisiert und kommen mit Ausnahme Leonardos ohne Eigennamen aus. Wie in "Dolia Rosita bleibt ledig" die Blumen-Metaphern ein lyrisches Zeichensystem setzen, so ist es hier der Pferde-Mythos des Pegasus, das leitmotivisch aufklingende Wiegenlied vom "großen Falben". Er wird auch das Paar, das nicht für einander bestimmt ist, in den Untergang tragen. Ebenso werden die bäuerliche Erde, Baum und Fluss als zeitlose Mächte einer archaischen Welt beschworen. Immer wieder steigern sich die Prosaszenen zu lyrischen Verspartien, die das Geschehen ins Irreale überhöhen, die Naturmythos und Schicksalsmächte einbeziehen. Wie stets in der romanischen Literatur von Alejandro Casona bis Jean Cocteau erscheint der Tod als Frau. Auch der Mond ist im antiken Sinn Sinnbild des Todes und Zerstörer der Liebe, die Mutter als Gegenfigur die mythenschaffende, leidende, aber immer neu gebärende Lebensspenderin. Mit seinen zeitlosen, elementaren allegorischen Figuren hat dieses Stück immer wieder auf das Musikktheater gewirkt: J. Jose Castro (1956), Wolfgang Fortner (19.57), S. Szokolay (1965) haben den Text als Oper vertont, D. Apivor (1953) hat daraus ein Ballett gemacht. Aus Reclams Schauspielführer
Törchen 17 - LES LIGNES DU COER 2013
02:00:33

Törchen 17 - LES LIGNES DU COER 2013

Selbstredend, dass in diesem Jubeljahr unserer Schule wieder einmal unser gesamtes künstlerisches Potential auf den Plan gerufen wird und wieder eine Gemeinschaftsproduktion zwischen der Theaterwerkstatt Freigymi und dem Freigymichor auf die Bühne unserer Aula kommen muss. Bereits lange vor unseren letzten Aufführungen des „ZERBROCHNEN KRUGS“ haben die Protagonisten mit den Vorbereitungen für das Projekt 2013 begonnen. Und vor Weihnachten 2012 wurde das neue Ensemble geformt, in dem seither über 50 Schülerinnen und Schüler des Freien Gymnasiums Zürich unter der Leitung eines professionellen Teams ihre Arbeiten auf und hinter der Bühne aufgenommen haben. Unterdessen laufen wöchentlich mehrere Probenstränge gleichzeitig, so dass regelmässig – und auch an jedem Wochenende – Choreographietrainings, Theaterproben und Gesangsschulungen unabhängig voneinander stattfinden. Nach den Herbstferien werden dann die Arbeiten zusammengeführt und in einen einzigen Ablauf gebracht. Zur Feier des besonderen Anlasses wurden ausserdem Dramaturgieprofis der Schule und der musikalische Leiter des Projektes herangezogen, um ein Musiktheater zu produzieren, das nun in einer Bearbeitung der Theaterwerkstatt Freigymi unter dem Titel „Les Lignes du Coeur“ zur Aufführung gelangt. Zum Thema hat das vorliegende Musical die Asylproblematik unseres Landes. Es ist uns bewusst, dass dem Genre „Musical“ das Image anhaftet, im allgemeinen die Thematik, die es zum Inhalt hat, zu verklären und dabei vielleicht sogar auch zu trivialisieren. In diesem Zusammenhang könnte man meinen, dass das hochaktuelle Politikum des Flüchtlingswesens wohl keinen besonders geeigneten Gegenstand darstellt, um in der Gestalt eines Musicals präsentiert zu werden. Indessen haben wir es akurat auf diese Herausforderung abgesehen und wollen Ihnen zeigen, dass sich das ungleiche Paar des federleichten Mediums Musical auf der einen Seite und die ernsthafte und heikle Thematik des Asylwesens auf der anderen Seite nicht nur ergänzen, sondern durchaus eine künstlerisch konstruktive Ehe eingehen können, da sie – wenn auch nicht ausnehmend harmonisch – miteinander eine elektrisierende dialektische Spannung erzeugen, ohne sich gegenseitig zu desavouieren. Lassen Sie sich entführen – wir sind gespannt darauf, wie Sie von dem Dargebotenen angeregt oder aufgewühlt werden.
Törchen 16 - KRACH IN CHIOZZA 2005
02:00:33

Törchen 16 - KRACH IN CHIOZZA 2005

Viel Lärm in Chiozza (auch bekannt unter den Titeln Krach in Chiozza, Streit in Chiozza oder Liebeshändel in Chiozza) ist eine Komödie in 3 Akten, die Carlo Goldoni 1761 unter dem Titel Le baruffe chiozzotte in Venetischem Dialekt verfasste und die 1762 im Teatro San Luca in Venedig uraufgeführt wurde. Der Ort Chiozza entspricht dem heutigen Chioggia im Süden der Lagune von Venedig. In Chiozza, einem Ort, der maßgeblich vom Fischfang bestimmt wird, leben "40.000 Seelen", von denen fast 30.000 Frauen sind. Das Theaterstück dreht sich um einige Chiozetten, die sich streiten und Liebeskummer haben, was zu einem Kleinkrieg ausartet. Der erste Akt beschreibt, wie die Frauen (Pasqua, Lucietta; Libera, Orsetta, Checca) vor ihren zwei Häusern sitzend klöppeln und sich über ihre bald heimkehrenden Männer oder zukünftigen Männer unterhalten, die noch auf Fischfang sind. Toffolo unterhält sich mit den Frauen und beschäftigt sich zu sehr mit der mit Titta Nane verlobten Lucietta, was für Aufruhr sorgt. Dabei interessiert er sich eigentlich für Checca. Die Frauen streiten sich, beschimpfen auch Toffolo und schicken ihn fort. Als die Männer wieder ankommen, versuchen die Frauen anfangs zu schweigen, was ihnen nur schlecht gelingt. Daher beginnt ein Kampf zwischen Toffolo und Beppo, Titta Nane und Paron Toni. Paron Vicenzo und seine Truppe schalten sich ein und stoppen den Kampf. Die anderen beiden Akte dienen dazu, den entstandenen und immer wieder aufflammenden Streit beizulegen. Im 2. Akt klagt Toffolo die Personen an, mit denen er gestritten hatte, indem er zum Adjunkten geht. Der Adjunkt befragt alle und versucht (sowohl in Akt 2 als auch 3), sie wieder zu versöhnen, indem er alle untereinander verheiratet, was auf viele Hindernisse stößt! Letzten Endes ist der Adjunkt nach einer Reihe von Nervenzusammenbrüchen dazu in der Lage, alle wieder zur Vernunft zu bewegen und die Probleme der Paare zu schlichten, verheiratet diese und bringt wieder Frieden in das Fischerörtchen Chiozza - der damit einhergeht, dass auch er schließlich heiratet. Quelle: Wikipedia
Törchen 14 - KASIMIR UND KAROLINE 2008
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Törchen 14 - KASIMIR UND KAROLINE 2008

"Man wirft mir vor, ich sei zu derb, ekelhaft, zu unheimlich, zu zynisch und was es dergleichen noch an soliden, gediegenen Eigenschaften gibt - und man übersieht dabei, daß ich doch kein anderes Bestreben habe, als die Welt zu schildern, wie sie halt leider ist." Ödön von Horváth Eigentlich hätten sie einander gerne lieb, aber sie können zueinander nicht mehr kommen. Ein Streit zu Beginn treibt sie auseinander, ein Streit am Ende verfestigt die Trennung. Dazwischen liegt ein langer Oktoberfestabend auf der Wiesn, an dem sie sich wie in einem gewaltigen Reigen immer wieder begegnen, aber dennoch verfehlen. Es ist die Zeit der grossen Krise. Der Chauffeur Kasimir ist eben arbeitslos geworden. Seine Braut Karoline würde dieses Schicksal vielleicht mit ihm tragen, aber dass es ihm die Freude am Feiern vermiest, kann sie nicht verstehen. So überlässt sie sich dem Festtreiben, wird eine der vielen Wiesnbräute, die für einen Abend von den Gauklern des Glücks an der Nase herumgeführt werden. In ihrem Falle sind das: der kleine Textilangestellte Schürzinger sowie zwei arrivierte Bürger, Schürzingers oberster Chef, der Kommerzienrat Rauch, und dessen Freund, ein honoriger Gerichtsrat aus dem deutschen Norden. Es geht nicht um Liebe, nur um Tauschgeschäfte und selbst diese verlaufen alles andere als fair. Das Ende ist absehbar, der Traum vom Glück und vom gesellschaftlichen Aufstieg geplatzt. Kasimir gerät gleichfalls in falsche Hände, tut sich mit dem Merkl Franz, einem kleinen Ganoven, zusammen und steht Schmiere bei einem Diebstahl. Als der Franz danach gefasst wird, sucht die Merkl-Braut unverzüglich Ersatz und findet ihn ... Über all dem schwebt der Zeppelin, Katalysator für die Träume vom ungelebten Leben. So wie er entschwebt, so verduften die einfachen Lösungen. Wir sind nicht bei Brecht, wo jedes dargestellte Problem zugleich seine Lösung in Spiegelschrift mit sich trägt. Wir sind aber auch nicht im Bernhardtheater, und so reden die Menschen dieses Volksstücks nicht volkstümlich, sondern manchmal derb und grob, öfters jedoch im entfremdeten Bildungsjargon der Zeit. Derjenigen Dummheit, die in Geschlechter- oder Schichtenvorurteilen oder in undurchschauten Phrasen liegt, können sie dennoch nicht entgehen. Ich bin kein Satiriker, meine Herrschaften, ich habe kein anderes Ziel, als wie dies: Demaskierung des Bewusstseins. (Horvath) Dieser Demaskierung dienen die theatralischen Mittel und insbesondere die Musik. Die bis ins einzelne vorgeschriebenen Melodien aus Schlager und Operette bringen Ruhe ins Getümmel der losgelassenen Gefühle und damit Zeit, den Kampf zwischen Unterbewusstsein und Bewusstsein zu führen. Zugleich ist Musik immer auch Gegenwelt, Präsenz des Utopischen und Illusionären. Eine Gegenwelt anderer Art bildet die Schau der menschlichen Abnormitäten, die wie der weisse Elefant im Karussell als Bezugspunkt des Festgeschehens dient und vielfache Spiegelungen von Menschlichem und Allzumenschlichem erlaubt. Und schliesslich dient der Demaskierung die Stilisierung des Spiels, die das Naturalistische eher vermeidet und zu einer Synthese aus Ernst und Ironie führen soll: Stilisiert muss gespielt werden, damit die wesentliche Allgemeingültigkeit dieser Menschen betont wird (...), die realistisch zu bringenden Stellen (..) sind die, wo ganz plötzlich ein Mensch sichtbar wird wo er dasteht, ohne jede Lüge, aber das sind naturnotwendig nur ganz wenig Stellen. (Horvath) Wenn Horvath kein Satiriker sein will, so muss die Demaskierung allerdings ihre Grenzen haben: Alle seine Figuren sind zwar widersprüchlich und bleiben unter ihren Möglichkeiten, aber sie bleiben zugleich Menschen, die um ihre Möglichkeiten kämpfen und sind als solche liebenswert wie wir. Es ist schlechterdings nicht einzusehen, inwiefern ein solches Stück heute nicht aktuell sein sollte. Ernst Menet
Törchen 12 - DREI SCHWESTERN 2004
01:58:19

Törchen 12 - DREI SCHWESTERN 2004

Der Traum vom Leben Anton Tschechows «Drei Schwestern» ist ein sehr tiefgründiges, anspruchsvolles Stück, das von der Suche nach dem Sinn und Glück des Lebens handelt. In ihrer sechsten Produktion bringt es die Theaterwerkstatt des Freien Gymnasiums auf die Bühne. Moskau ist eine boomende Stadt. Bauten aus Stahl und Glas wachsen in den Himmel, überbieten sich in Grösse, Mächtigkeit und Protz. Moskau ist eine Stadt der vielen Möglichkeiten – eine Stadt der Sehnsucht. Denn im Russland jenseits der Metropolen riecht es nur allzu rasch nach tiefster Provinz: heute ebenso wie vor hundert Jahren. Moskau – das ist die Metapher für einen Traum vom Leben, der nur in der Ferne erfüllt zu werden verspricht. Fluchtpunkt Moskau Moskau ist der Fluchtpunkt Olgas, Maschas und Irinas in Anton Tschechows 1901 uraufgeführtem Stück «Drei Schwestern». Vor Jahren sind sie mit ihrem inzwischen verstorbenen Vater, einem hohen Offizier, und ihrem Bruder Andrej in eine abgelegene Garnisonsstadt gezogen. Die Erinnerung an die Grossstadt und der Traum vom wahren Leben, das sie nur dort zu finden glauben, ist ihr einziges (vermeintliches) Glück, und vor der Folie der Provinzgesellschaft, die sie umgibt: allesamt letztlich gescheiterte Gestalten, vermengen sich Langeweile und Lamento über das verpasste Leben zu einer unfrohen Gegenwart. Die Erinnerung an die Vergangenheit wird von der Gegenwart verdrängt, mit der sich jedoch niemand ernstlich beschäftigen will. Sie wird nur als Ort der Dissonanz wahrgenommen und als Ausgangspunkt für allerlei Projektionen, die fern sind jeglicher Realität. Weder ist Andrej der Gelehrte, als den ihn die Schwestern sehen, noch kann er ihn sein; weder ist Moskau das Glück schlechthin, noch lässt sich ein Leben ohne inneren Aufbruch ändern. Die einzige, die dies ansatzweise zu erkennen scheint, ist Irina. Mehr als alle andern sehnt sie sich nach Moskau als dem Sinnbild für ein glückliches Leben. Aber sie nimmt leise Abschied vom Traum der Liebe und des Glanzes. Sie will tatsächlich aufbrechen, innerlich und äusserlich. Der Baum jedoch, den sie, mädchenhaft singend, in Erwartung des Neuen anbetet, ist verdorrt. Das Glück, das sie sich erzwungen hat, ist trügerisch, und es wird zuletzt wie jeder Traum zerbrechen. Wider die Illusionen Tschechow hat den Illusionen nie viel Raum gelassen. Unfroh ist das Leben, wenn auch nicht zum Verzweifeln. Der Augenblick des Glücks lässt sich nur aus dem eigenen Innern heraus erzeugen, nicht durch die Projektion auf einen – räumlichen, zeitlichen – Fluchtpunkt. Dies ist auch die Botschaft dieser Inszenierung (Regie und Gesamtleitung: Alfred Bosshardt, Dramaturgie: Beatrice Rolli Zinsstag), die ihre Antworten aus Tschechows Auseinandersetzung mit den Schriften des römischen Kaisers Marc Aurel zur Frage der Lebensgestaltung nimmt. Denn mitten in die spiessig-gelangweilte Gesellschaft dringt eine tanzende, zaubernde und aufreizende Mädchengruppe ein und zeigt das Potenzial, das die Provinz zu mobilisieren imstande ist. Nicht die drei Schwestern, sondern die drei Girlies verabschieden sich zuletzt – nach Moskau: ein dramaturgischer Eingriff, der dem aktionslosen Lamento die Tatkraft entgegensetzt. So vermag die Inszenierung bei allem Klamauk, bei aller Komik und Körperlichkeit, die freigelegt und lustvoll ausgelebt werden, die Nachdenklichkeit und ungebrochene Gültigkeit dieser Lebenssinnsuche sichtbar zu machen. Dies, die beeindruckende Leistung der Schülerinnen und Schüler und nicht zuletzt die musikalischen Intermezzi und die russischen Weisen machen die Aufführung zu einem Erlebnis. von Markus Ackeret
Törchen 11 - DER ZERBROCHENE KRUG 2012
01:45:43

Törchen 11 - DER ZERBROCHENE KRUG 2012

Das Drama ist neben der Epik und der Lyrik eine der drei grundlegenden literarischen Gattungen. Mit Dramatik meint man Texte mit verteilten Rollen. Etymologisch bedeutet Drama „Handlung“. Demnach braucht Theater zwingend Handlung. Zwar war dies Heinrich von Kleist hinlänglich bekannt, als er den Zerbrochenen Krug schrieb, was ihn indessen nicht daran hinderte, auf eine Handlung vollständig zu verzichten. Die ganze Geschichte ist in zwei Sätzen erzählt; bleibt die Frage, weshalb es das über zweihundertjährige Stück bis heute regelmäßig auf die Spielpläne der Bühnen der Welt schafft, wo es noch nicht einmal über eine Handlung verfügt. Der Entstehungshintergrund des Lustspiels war ein Wettbewerb zwischen Freunden um ein Bild eines zerbrochenen Krugs, welchen Kleist für sich entschied. Wollte er bei der Gelegenheit gleich noch den Beweis antreten, dass ein solches Unterfangen auch ohne die ehernen Theatergesetze von Erfolg gekrönt sein kann? Mitunter vielleicht auch, aber es gibt Hinweise darauf, dass Kleist ernsthaftere Gründe zu dieser Entscheidung drängten: Mit den wirkungsvollen Pfeilen der Sprachkunst, um die er noch in seinem Köcher wusste, konnte er es wagen, auf eine Handlung zu verzichten, um seine wahre Absicht, die dialogischen Auseinandersetzungen und Argumentationen der Figuren, radikal ins Zentrum der Aufmerksamkeit von Schauspielern und Zuschauern zu rücken, damit der Kunst der Rhetorik ein orgiastisches Fest gefeiert werden kann. Der zerbrochene Krug ist im Grunde eine Hymne auf das unerschöpfliche Potential der Lüge und ihrer Faszination, wenn sie nur mit Phantasie aufgeladen wird. Schon früh ist dem ebenso unerwartet wie ungelegen eintreffenden landesjuristischen Gerichtsrat Walter klar, dass der kommunale Friedensrichter Adam recht ordentlich Dreck am Stecken hat. Indessen beißt er sich daran die Zähne aus, diesen zu überführen. Fortwährend findet Adams atemberaubender Ideenreichtum einen brillanten rhetorischen Winkelzug, um sich im letzten Moment selbst an den Haaren aus dem Sumpf zu ziehen. Das vermeintliche Zuschnappen und Entschlüpfen führt uns Kleist immer wiederkehrend vor. Wer nun aber denkt, dass sich ein solches perpetuelles Szenario erschöpfen und den Zuschauer langweilen könnte, der hat weit gefehlt; denn während Kleist gerade diesen Vorgang benutzt, um uns seine sprachliche Virtuosität vorzuführen, speist seine Diktion auch gleichzeitig Haltungen und Dispositionen der Figuren. Dabei werden in deren mentalen Verfassungen und Charakteren viele Zwiespältigkeiten sichtbar: Bei näherer Betrachtung ist die scheinbar missbrauchte Dorfschönheit Eve ebenso wenig nur Opfer und Unschuldslamm wie der Dorfrichter nur Täter und Drecksschwein darstellt. Und die Scherben des Krugs, derentwegen es zur Gerichtsverhandlung kommt, sind nur Mittel zum Zweck für Eves Schwester Marthe, um verborgene Anliegen zu verhüllen. Auch der unbeteiligte Schreiber Licht weiß weit mehr, als er vorgibt und das Verhältnis der Brüder Tümpel und ihr Ansinnen bleibt merkwürdig und zuweilen widersprüchlich, bis schließlich die von sektiererischem Dunst behauchte Kronzeugin Brigitte mitten ins Geschehen hineinschneit, um dem Treiben ein Ende zu setzen. Ständig geschieht Unerwartetes, das unvorbereitet und spontan wirkt, als ob es die Akteure auf der Bühne im unmittelbaren Moment und improvisierend erfinden würden. Diesem Spiel zuzuschauen ist ein purer Genuss und von köstlichem Witz. Unterhalten Sie sich gut! verfasst von Alfred Bosshardt
Törchen 10 - DIE GELEHRTEN FRAUEN 2000
01:40:58

Törchen 10 - DIE GELEHRTEN FRAUEN 2000

Das vorletzte Stück Molières wurde 1672 in Paris uraufgeführt, ein Jahr vor seinem Tod. Im Haus Chrysales, einem biederen Bürger, herrscht Unruhe. Seine Frau Philaminte, seine Schwester Bèlise und die älteste Tochter Armande reden den ganzen Tag von Philosophie und Metaphysik, von Grammatik und Rhetorik, anstatt ihren "hausfraulichen Pflichten" nachzukommen. Als die Küchenmagd, die als einzige den Haushalt zusammenhält, wegen ihrer vulgären Sprache und der störenden grammatischen Schnitzer von Philaminte entlassen wird, probt Chrysales den Aufstand. Die einzige "Normale" in der Familie ist die jüngere Tochter Henriette, die von der Mutter gegen ihren Willen mit dem faden Schöngeist Tissotin verheiratet werden soll. Chrysale verspricht seiner Tochter zwar, endlich einmal als Autorität aufzutreten, doch er ist ein Pantoffelheld! Zusammenfassung von der Homepage der Universität Oldenburg "Les femmes savantes" (Die gelehrten Frauen) schrieb Molière (1622-1673) im letzten Jahr vor seinem Tod, als eines seiner letzten Bühnenwerke. Schon ungefähr fünfzehn Jahre früher jedoch, als eine seiner ersten Komödien entstand "Les précieuses ridicules" (Die lächerlichen Preziösen). Beide Stücke haben ein und denselben Stoff zum Thema. Beide sind beissende Satiren und Spottgedichte des Dichters auf den affektierten und elitären Geschmack und die sentimentalen Geistreicheleien seiner Zeit. "Les femmes savantes" wird heute in Bühnenkreisen von vielen den besten Werken Molières gleichgestellt, obwohl das Werk zur Zeit nicht die gleiche Popularität geniesst wie etwa "L'Avare", "Tartuffe" oder "Le Misanthrope" vom gleichen Autor. "Les femmes savantes" ist im Grunde eine überarbeitete und ausgereiftere Fassung von "Les précieuses ridicules". Die Entstehungsdaten der beiden Stücke am Anfang sowie am Ende von Molières Schaffen weisen darauf hin, dass dieses Thema eine wesentliche Rolle im gesamten künstlerischen Werk Molières spielt. Aber selbst wenn Molière noch so viel ätzende Häme über einige seiner Figuren giesst und ihre Eitelkeiten, Schwächen und Peinlichkeiten gnadenlos aufdeckt, so spürt man doch immer Molières Respekt vor ihren vielschichtigen, oder zumindest ambivalenten Charakteren. Deshalb rühren uns die Figuren an. Gerade in unserer Zeit, wo Bücher es immer schwerer haben gegen die elektronischen Medien zu bestehen, wo die Kids nichts mehr wissen von den Lesegesellschaften unserer Grosseltern und wo die sozial isolierende Onlinegesellschaft Einzug hält, wollen wir dieses Stück über Menschen spielen, die einander brauchen, obwohl sie sich bekämpfen. Rückseite des Plakats, verfasst von Alfred Bosshardt
Törchen 9 - WIE ES EUCH GEFÄLLT 2019
01:58:08

Törchen 9 - WIE ES EUCH GEFÄLLT 2019

Was ist das Geheimnis eines Theaterstücks, das seit über dreihundert Jahren zu den meistgespielten, zeitlosesten und erfolgreichsten Komödien zählt, obwohl dessen Handlung eher trivial anmutet? Mit einer Erklärung, was genau die Faszination von WIE ES EUCH GEFÄLLT ausmacht, tut sich die Kritik seit der Entstehung des Stückes schwer; denn es fehlen die psycholo­gisch vielschichtig gezeichneten Charaktere und eine aktionsgeladene sowie spannungsreiche, virtuose Handlung, Qualitäten, die in der Regel den besonderen Rang von Shakespeare' s Dramen begründen. Mit der Handlung geht der Autor betont zurückhaltend um: Im Wald von Arden passiert nicht viel; man ist da und verbringt die Zeit. Zuvor muss jedoch einiges passieren, damit die Figuren in den Wald kommen, und am Schluss gibt es manches zu entwirren, aber das alles wird im Handumdrehen erledigt. Die Handlung von WIE ES EUCH GEFALLT besteht nur aus einer Reihe von angenommenen Er­eignissen, durch welche die Position von Personen verändert wird. Dominant ist die Krise - immer und überall. Am fürstlichen Hof, wo Egoismus, Opportunismus, Neid und Missgunst in zerstörerischer Art herrschen, setzt sie das Drama in Gang: Jeder muss sich verbiegen, um zu bestehen oder wird verbannt. Aber dann, im mystischen Ardenner Wald befeuert die Krise die Komödie: Alle, die in den Wald geraten, werden gezwungen, sich neu und ausserhalb der bisherigen und gewohnten gesellschaftlichen Konventionen zurechtzufinden und neue Identi­täten auszuprobieren. Die gesamte Tastatur des pastoralen Lebens, wie ,,anders leben", ,,natürlich leben", „in Liebe leben", wird von jemandem vertreten. Der Wald wird zum sym­bolischen Ort der Prüfungen: Die Möglichkeiten und Grenzen eines alternativen Lebens in der Natur, das Verhältnis zwischen Spiel und Realität, die Bedeutung der Liebe und der Geschlechterrollen für die eigene Identität werden ausgelotet. Ebenso zentral wie die Krise ist die Liebe. Die Komödiendialoge spielen verschiedenste Liebesvariationen durch: Von romantisch, über derb­-lustig, bis zu pragmatisch und illusionär. Das bezaubernde Liebes­versteckspiel zwischen Rosalinde und Orlando ist eine komisch-tief­gründige Suche nach der Liebe und nach sich selbst. Das ganze Universum ist ein Thea­ter, auf dem simultan viele Stücke aufgeführt werden. Jaques, der Hauptformulierer, führt das Bild vom Welttheater aus: ,,Die ganze Welt ist eine Bühne, und Männer, Frauen, alle sind bloss Spieler. Sie gehen ab und treten wieder auf und spielen eine Rolle nach der andern in sieben Akten bis zum Tod." Text: Barbara Martell
Törchen 8 - ANTIGONE 2006
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Törchen 8 - ANTIGONE 2006

Mythos Antigone Die Theaterwerkstatt produziert eine exklusive Erstaufführung der Antigonetragödie in der Fassung von Jean Anouilh in Verbindung mit der Antigone-Schauspielmusik von Felix Mendelssohn-Bartholdy. «Die gemeinsame Aufführung beider Vorlagen in einer szenischen Vernetzung ist noch nie öffentlich vorgestellt worden», hält Lehrer Alfred Bosshardt, der Leiter des Projekts, fest. Antigone, die Tochter von Ödipus, will ihren toten Bruder Polyneikes gegen den Willen ihres Onkels Kreon, der nur für ihren Bruder Eteokles, den Verteidiger der Stadt Theben, ein Begräbnis angeordnet hat, bestatten, obwohl ihr Handeln mit dem Tod bestraft wird. Sie nimmt, die geheiligten Bestattungsbräuche achtend, das Todesurteil auf sich und zieht dadurch Kreons Sohn Haimon, ihren Geliebten, und seine Mutter Eurydike unausweichlich mit sich in den Tod. Die berühmte Zeile aus Sophokles Antigone «mitlieben, nicht mithassen ist mein Teil» kann Jean Anouilhs gleichnamiges Drama mehr als 2000 Jahre später, nämlich 1944 entstanden, nicht mehr wiederholen, da es dem Existenzialismus verpflichtet ist. Sein Text ist geprägt von Pessimismus und Gleichgültigkeit. Nicht Liebe, Verpflichtung und Humanität führen zum tragischen Tod der Titelheldin, sondern ihr absoluter Anspruch, ihre Kompromisslosigkeit und die Sinnlosigkeit des Lebens ganz allgemein. Nur die Wächter haben es gut überstanden. Ihnen ist alles gleich, denn es geht sie nichts an. Sie spielen lieber Karten. Wer über das Leben nachdenkt, wird nur mit der alltäglichen Routine und dem Tod konfrontiert. Nachdem Polyneikes toter Körper nicht mehr identifiziert werden kann, wird auch Antigones Selbstbestimmung zur Fremdbestimmung. Für Kreon, ihren Onkel, ist «das ganze Leben nur ein bisschen Glück». An Antigones unerfüllbarer Liebe zu Haimon, an ihrer Verantwortung für den lieblosen Bruder und an ihrem Pflichtbewusstsein ihrem eigenen Hund gegenüber scheint aber all das auf, was seit Sophokles den Menschen an diesem Stoff so fasziniert, ihn betroffen macht. Aber für Antigone existiert vor allem das Fatum und der Ekel vor der Gewöhnlichkeit des alltäglichen Glücks im Leben, «das oft nur ein Buch ist, das man gerne liest, ein Kind, das zu deinen Füssen spielt, ein Gegenstand, der sicher in der Hand ruht», darüber hinaus gibt es nichts, auch keine Menschlichkeit. Wenn man das Kriegsgeschehen von 1944 einbezieht, kann ihr aber hoch angerechnet werden, dass sie sich nicht anpasst, keine Opportunistin ist, sondern nur ihrem eigenen absoluten Anspruch folgt. Tragisches Ende So bestimmen zwar Gesetze das Leben und Antigone kann auch als Gesetzesbrecherin betrachtet werden, aber diese Gesetze lösen nichts als Sinnlosigkeit und Gleichgültigkeit aus, sie garantieren weder Menschlichkeit noch Glück. Antigones Verhalten ist nicht vorbildlich, sie handelt nicht aus dem Glauben an die Götter, sie muss sich nicht zwischen göttlichem und weltlichem Gesetz entscheiden. Sie akzeptiert ihr Schicksal, da das Leben in Anbetracht seiner Endlichkeit keinen Sinn macht, sondern nur der Tod. Sie stirbt, ohne zu wissen, was Glück in ihrem Leben bedeutet, und Kreon wartet auf den Tod, ohne Glück erfahren zu haben.
Törchen 6 - VIEL LÄRM UM NICHTS 2001
02:17:53

Törchen 6 - VIEL LÄRM UM NICHTS 2001

+nicht mehr vollständig vorhanden; Rohfassung+ "Viel Lärm um Nichts" (Much ado about Nothing) ist eine Komödie in fünf Akten. Sie stammt aus den letzten Jahren des 16. Jahrhunderts. Während der Befreiung Siziliens vom französischen Joch geniessen Don Pedro von Aragon, sein Halbbruder Don Juan und ihre italienischen Verbündeten Graf Claudio von Florenz und Signor Benedict von Padua die Gastfreundschaft Leonatos, Gouverneur von Messina in französischen Diensten, der den Befreiern in seiner Dankbarkeit ein grosszügiges und unaufhörliches Fest bereiten will. Während sich Graf Claudio auf der Stelle in Hero, die Tochter Leonatos, verliebt, macht Pedro, um sich die Zeit etwas kurzweilig zu gestalten, für ihn den Brautwerber. Don Juan tut jedoch alles, um das Brautpaar wieder auseinander zu bringen. Eine abgefeimte Intrige Juans und seiner Helfer Borachio und Conrad liefert den scheinbaren Beweis von Heros Untreue. Claudio geht nun so weit, der Braut am Altar in schäumender Raserei Treulosigkeit vorzuwerfen und einen handfesten Skandal vom Zaun zu reissen. Durch die einfältigen Polizeimeister Holzapfel und Schlehwein kommt aber unverhofft die Wahrheit an den Tag. Claudio, den man unterdessen glauben machte, seine Braut sei unter der Schwere der erlittenen Schmach und der Ehrverletzung bereits gestorben, wird mit ihr wieder vereint. Neben dieser Handlung läuft eine zweite um Heros Cousine Beatrice und den Edelmann Benedict aus Padua. Die Wortgefechte dieser beiden, in denen jeder das andere Geschlecht zu verachten vorgibt, bis sie zuletzt doch zueinander finden, sind eine besondere Spezialität des Stückes. Shakespeare entfaltet in ihnen seinen brillierenden Witz und seine Kunst des zugespitzten Dialogs. Die Quelle zu der Liebesgeschichte des gefühlvollen Paares ist eine Novelle Bandellos, das wortgewaltige Paar Benedict - Beatrice gilt als freie Erfindung des Dichters. Aus dem Programmheft, verfasst von Alexander Bischoff
Törchen 3 - DER KAUFMANN ODER WAS WOLLT IHR 2007
02:22:21

Törchen 3 - DER KAUFMANN ODER WAS WOLLT IHR 2007

Im Gegensatz zu seinem zwanzig Jahre älteren, ungleich berühmteren Zeitgenossen William Shakespeare, war FRANCIS BEAUMONT ein „Oxford man“, Student am Pembroke College – wo es ihn allerdings nicht lange hielt. Ohne Abschluss ging er nach London, um Richter zu werden. In der Hauptstadt scheint er der Verlockung des Theaters nicht lange widerstanden zu haben; 1607 wird seine Komödie „The Knight of the Burning Pestle“ im Blackfriars Theatre uraufgeführt. Damit beweist der erst 23jährige Francis seine enorme Belesenheit. Auf virtuose Weise parodiert „Der Ritter vom feurigen Stössel“ Vorbilder aus der spanischen Literatur des 16. Jhs. 1588 war in England eine Übersetzung von Palmerin de Oliva erschienen, dem ersten Teil einer Reihe populärer Heldengeschichten. Sie handeln von einem Ritter, der furchtlos gegen Riesen und Zauberer aller Art antritt. Zwei Jahre vor der Uraufführung von Beaumonts Ritterparodie erschien in Spanien „Don Quijote“. Auch Miguel de Cervantes’ Roman parodiert die grassierende literarische Rittermanie. Don Quijote spielt nur noch den Helden; aber einer, der gegen Windmühlen kämpft, weil er sie für Riesen hält, ist kein wahrer Rambo. Ebenso ist Beaumonts Bühnen-Ritter ein Antiheld, der sich in die Hosen macht, wenn Todesmut gefragt ist. Eine aktuelle Aufführung dieses historischen Stoffes zwingt zuerst zur Klärung der Frage, wie eine Parodie dargestellt werden soll, deren parodierte Vorlagen dem heutigen Publikum unbekannt sind! In dieser Hinsicht stellt der „Ritter“ eine doppelte Hürde dar. Es handelt sich um ein Stück-im-Stück; vor einem fiktiven Publikum wird „Der Kaufmann von London“ aufgeführt. Das Publikum, repräsentiert durch den Curryhändler George und seine Firmenbelegschaft, ist mit der Bühnendarstellung des Kaufmannsgewerbes unzufrieden und interveniert. George schickt seinen Lehrling auf die Bühne, um etwas Spannenderes zu bieten – und da setzt die Ritterparodie an. Dieses Theater ist bühnengeschichtlich bedeutsam. Das Blackfriars-Theater, ursprünglich ein aufgelassenes Dominikanerkloster in London, wurde seit 1576, während der Regentschaft Königin Elizabeths I., an professionelle Knabentheatergruppen zu Probe- und Aufführungszwecken verpachtet. Diese „Queen Revels“ haben 1607 wahrscheinlich den „Ritter“ aufgeführt. Mithin sassen Zuschauer sogar auf den Brettern, die die Welt bedeuteten – und auf diese Konventionen der damaligen Spielpraxis bezieht sich Beaumont, wenn er seinen George einfach auf die Bühne treten lässt, um die Schauspieler zu unterbrechen. Im Verlauf der Besprechungen über eine Aufführung des Stoffes wurde klar, dass die Rahmenhandlung ganz umgeschrieben werden musste, um die parodistische Anlage des Stücks auch in der heutigen Zeit verständlich zu machen. So entstand die Idee den „Ritter“ als Parodie auf ein populäres zeitgenössisches Spiel zu inszenieren, nämlich „Star Wars“ – und entsprechend das Kaufmannsmilieu der Rahmenhandlung durch eine Firma zu ersetzen, die mit Science Fiction-Requisiten für den Film und elektronischem Spielzeug handelt.
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